Ein
Dankeschön eines Paares möchte ich als Beispiel dafür anführen,
wie eine solche Zeremonie empfunden wird und wie sie weiterwirkt:
Katja
und Jochen schreiben drei Monate nach ihrer Hochzeit:
"Vielen
herzlichen Dank für alles, was du für uns getan hast. Unsere
Hochzeit und ganz besonders die Zeremonie wird für uns immer eine
glückliche und tragende Erinnerung sein. Obwohl wir zwischenzeitlich
viel erlebt haben, ..., bewegt uns unsere Hochzeitsfeier noch jeden
Tag aufs Neue. Wir haben einen Videofilm und viele tolle Bilder und
vor allem viele positive Rückmeldungen unserer Gäste, die uns immer
wieder ins "schwelgen" bringen. Eigentlich können wir es noch
gar nicht fassen, wie genau die Zeremonie das getroffen hat, was wir
uns erwünscht und erhofft haben. Unsere Ehe hat damit einen so guten
Anfang genommen, dass wir jetzt mit noch intensiverer Freude auf
unsere gemeinsame Zukunft blicken Wie du vorhergesagt hast, haben
alle unsere Gäste unsere Vermählung als echte Hochzeit empfunden.
Deine Rede war für uns und viele der Anwesenden Stoff zahlreicher
ernsthafter und intensiver Gespräche. ... Deine Worte haben einiges
bewegt. Im Kreise von Kusinen und Kusins wurde in den Tagen nach der
Hochzeit intensiv darüber diskutiert, wie man selbst heiraten möchte
und dabei "aber auch in der Ehe" neue Wege gegangen werden
können. Vielen Dank auch dafür. ...."
Das macht sehr deutlich, wie beglückend eine in enger Zusammenarbeit mit dem Paar entstandene Zeremonie ist.
Weitere
Zeremonien, die mir am Herzen liegen, wären eine Zeremonie in einem
bestimmten Zeitraum nach einer Geburt und eine Zeremonie, die den
Eintritt eines Kindes in die Adoleszenz markiert. Von diesen
ursprünglichen Zeremonien sind in unserem christlichen Kulturkreis
nur noch die Taufe und die Konfirmation übrig geblieben, die aber
beide nicht das Eigentliche thematisieren. Das ist schade, weil
diese beiden Ereignisse (neben Hochzeit und Beerdigung) die
wichtigsten Übergänge in unserem Leben darstellen. Wenn auch die
Geburt eines Kindes und sein Eintritt in die Adoleszenz in einer
Zeremonie gewürdigt werden würden, könnte dies sehr viel Kraft und
Hilfe entfalten.
Aus dem Vorangegangenen dürfte deutlich geworden sein, dass meine Arbeit über die einer Trauerrednerin oder Festrednerin hinaus geht. Es geht mir bei einer Arbeit um mehr als um eine Rede, - obwohl die sorgfältig ausgearbeitete Rede im Zentrum der Zeremonie steht, - es geht um die Gestaltung eines Rituals.
Was dies
beinhaltet, erhellen
die beiden folgenden Texte:
Übergänge sind Schwellen auf unserem Lebensweg. Eine Schwelle ist eine Chance, innezuhalten und auf unser bisheriges Leben zurückzublicken.
Übergänge
sind Tore zu neuem Werden. Ein Tor lädt ein zum Durchschreiten in
eine veränderte Wirklichkeit. Tore sind Chancen zur Veränderung und
zum inneren Wachstum.
Lebendig sein bedeutet eine kontinuierliche Veränderung, aber es gibt auch besondere Phasen in unserem Leben, Übergangsphasen, in denen wir uns sichtbar verändern.
Z.B die
Pubertät, die Liebe, Schwangerschaft und Geburt, Beginn des
Alterungsprozesses, Wechseljahre und Menopause und Altern,
schließlich Sterben und Tod. Das sind die natürlichen Übergänge.
(Heute
kommen noch kulturell bedingte Übergänge dazu: Ende der Schulzeit,
Ausbildung, Berufseintritt, Wechsel der Arbeitsstelle, oft mit einem
Ortswechsel verbunden, überhaupt Umzüge, v.a. wenn der Wohnort, das
Bundesland oder gar das Land gewechselt wird, Trennung/Scheidung,
Auseinanderfallen der Familie durch Wegzug der Kinder. Aber auch das
Alleinleben im Alter, nach Tod des Partners oder der Umzug in ein
Seniorenheim. Hierbei verändert sich wie bei den natürlichen
Übergängen das Leben, aber nicht in einem längeren Prozess,
sondern abrupt. Die kulturell bedingten Übergänge werden oft als
Brüche empfunden, was sie auch sind. Wenn wir uns diese
zivilisationsbedingten Brüche stärker bewusst machten und sie in
einer Zeremonie verdeutlichten, könnten wir besser damit umgehen.
Könnten wir besser mit dem oft als bedrohlich und überfordernd
empfundenen Abbruch und Neuanfang umgehen. Vielleicht blieben uns
auch depressive Stimmungen erspart.)
Seit
Tausenden von Jahren wurden Übergänge bewusst gestaltet, Ethnologen
haben die sog. "Rites de Passages" (Übergangsriten) in vielen
Kulturen untersucht und beschrieben. Übergangsriten haben viele
Funktionen und viele Ebenen. Sie verdeutlichen uns, wo wir gerade
stehen, nämlich auf der Schwelle zwischen zwei Lebensphasen. Sie
zeigen uns unseren Weg bis hierher auf und geben uns eine Perspektive
für unseren zukünftigen Weg. Rituale enthalten und entfalten die
Erfahrungen vieler Generationen. Übergangsrituale sind
Gemeinschaftsereignisse. Sie betten uns in eine Gemeinschaft ein und
zeigen uns damit, dass wir nicht alleine sind. Und Übergangsrituale
haben immer auch eine religiöse Ebene, egal wie wir diese verstehen.
Der lateinische Begriff ?religio? hieß wahrscheinlich
ursprünglich Rückbindung, Anbindung oder Einbindung - in einen
größeren Zusammenhang. Übergangsrituale helfen also dem Individuum
bei der Lebensbewältigung, sind Zeichen für die Geborgenheit
des/der Einzelnen in einer größeren Gemeinschaft und verdeutlichen
die Verwurzelung des Einzelnen und der Gemeinschaft in den Kräften,
die sie tragen.
Zeremonien, die an der Schwelle zwischen zwei Lebensphasen stehen, waren immer Teil unserer menschlichen Kultur. Die Zeremonien, mit denen diese Übergänge sichtbar gemacht werden, sind wohl die früheste und wichtigste Form künstlerischen Gestaltens. Diese Zeremonien sind Ursprung unserer Musik, unserer Tänze, des Theaters, der Poesie, der Märchen, der Malerei......
Die
Ritualkunst ist uralt, so alt wie das Menschsein. Rituale wurden
geschaffen, um den großen Ereignissen im menschlichen Leben eine
Gestalt zu geben und damit ihre Bedeutsamkeit herauszustellen. Die
großen Ereignisse in unserem Leben wie Geburt und Tod, Eintritt in
die Pubertät und in das Altern, aber auch die Verbindung zweier
Menschen markieren Übergänge. Ob freudiger oder trauriger Natur,
Übergänge sind immer von überwältigenden Gefühlen begleitet. Sie
stehen auf der Schwelle zu neuen unbekannten Erfahrungen und Neues,
egal welcher Art wird oft auch als bedrohlich empfunden. Unsere
Vorfahren haben begonnen, diesen großen Ereignissen mit ihren
überwältigenden Gefühlen mit Ritualen, d.h. kunstvollen
Inszenierungen zu begegnen. Alle unsere Kunstformen leiten sich von
diesen uralten Ritualen her: Poesie, Musik, Tanz, Dramaturgie, Malerei,
bildende Künste, .... Das alles war im Ritual vereint.
Rituale sind kunstvolle Inszenierungen, dazu geschaffen, die großen unabänderlichen Ereignisse menschlicher Existenz wirkungsvoll zu bewältigen. In der Kunst des Rituals waren der Alltag und das Lebensganze eins.
Bereits die Erschaffung eines Rituals ist ein wichtiger Teil der Bewältigung eines uns überwältigenden Ereignisses, sei es freudiger, trauriger oder bedrohlicher Natur. Aber erst im gemeinschaftlichen Vollzug entfaltet das Ritual seine Kraft. Ein Ritual, das seinen Namen verdient, gibt uns Sicherheit, Geborgenheit und Hoffnung.
Rituale
haben viele Dimensionen und Funktionen ? aber ihr wichtigstes
Anliegen war Einbindung/ Verbindung: Verbindung zwischen dem
Einzelnen und der Gemeinschaft, Verbindung zw. dem Einzelnen und der
Gemeinschaft und Verbindung der Gemeinschaft mit Natur und Kosmos,
d.h. dem Ganzen des Seins. Ich verstehe das Ritual deshalb als Kunst
der Lebensbewältigung. Es ist wahre Kunst, weil es die vielen
unterschiedlichen Aspekte des Lebens zusammenführt und
transzendiert. Weil es Möglichkeiten der Bewältigung aufzeigt,
indem es inmitten chaotischer Gefühle eine Struktur gibt. Und einen
Weg aufzeigt.